Wie Milchproduktion, wie sie heute meist praktiziert wird, birgt ein großes ethisches und ökologisches Problem: Männliche Kälber, die für die Milchwirtschaft als unbrauchbar gelten, werden oft als „Abfallprodukte“ behandelt. Diese Stierkälber, die keine zukünftigen Milchlieferanten sind, enden meist in Mastanlagen, fernab von der Natur und den Ursprüngen einer artgerechten Tierhaltung. Sie durchlaufen qualvolle Transporte, oft bis außerhalb der EU, und werden dort mit Soja und Mais aus Übersee gemästet.
Der ARTE-Beitrag „Vom Wegwerfkalb zum Alpenretter“ beleuchtet eindrucksvoll, wie engagierte Landwirte, Wissenschaftler und Metzger gemeinsam einen radikalen Wandel in der Landwirtschaft einläuten. Es geht um nichts Geringeres als die Rettung dieser unerwünschten Kälber und gleichzeitig den Schutz der Alpen. Im Zentrum dieses innovativen Ansatzes stehen der Milchbauer Marcel Renz, der Metzger Hannes Hönegger und der Juniorprofessor für Nutztierhaltung, Thomas Zanon.
Neuer Ansatz: Zweitnutzungsrassen und Weidehaltung
Was ist der Kern dieses neuen Ansatzes? Statt männliche Kälber nach der Geburt als wertlos abzustempeln, setzt man hier auf sogenannte Zweitnutzungsrassen. Diese Rassen sind sowohl für die Milch- als auch für die Fleischproduktion geeignet – eine Praxis, die früher Standard war, bevor die hochgezüchtete Milchwirtschaft ihren Siegeszug antrat. Kühe und Kälber grasen auf den Almen der Alpen und fressen, was die Natur zu bieten hat – kein Soja, kein Mais. Dadurch entsteht nicht nur qualitativ hochwertiges Fleisch, sondern die Tiere leisten einen wertvollen Beitrag zum Schutz der alpinen Landschaften.
Der Metzger Hannes Hönegger hat in seinen Kunden die Bereitschaft gefunden, für diese Qualität und das Tierwohl einen höheren Preis zu bezahlen. Und Marcel Renz geht noch einen Schritt weiter: Er arbeitet eng mit Gastwirten, Einzelhändlern und anderen Landwirten zusammen, um die Wertschätzung für Rinder und die Milchproduktion zu steigern. Die Initiative „Weiderind vom Bodensee“ zielt genau darauf ab, Tiere aus der Region – Oberschwaben und Allgäu – zu retten und ausschließlich mit Gras und Futter aus der Region zu ernähren.
Umdenken und Gemeinschaft: Tag der offenen Tür als Plattform für Austausch
Das Umdenken der Landwirte ist dabei ein entscheidender Aspekt. Um den Austausch untereinander, aber auch mit Verbrauchern und regionalen Händlern zu fördern, fand ein Tag der offenen Tür auf dem Hof von Marcel Renz statt. Hier konnten Besucher, Gastlandwirte und Händler aus der Region hautnah erleben, wie nachhaltige Landwirtschaft funktioniert und wie wichtig es ist, kurze Transportwege zu gewährleisten. Diese Veranstaltungen bieten Raum für Diskussionen und den Meinungsaustausch, der nötig ist, um das Bewusstsein für Tierwohl und regionale Kreisläufe zu stärken.
Unser Fazit: Ein nachhaltiger Wandel ist möglich
Wir von Fruchtbares setzen uns für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft ein. Der im ARTE-Beitrag vorgestellte Ansatz zeigt, dass es Alternativen zu der herkömmlichen Praxis gibt – Alternativen, die Tierwohl und Natur in den Mittelpunkt stellen. Solche innovativen Konzepte, wie sie von Marcel Renz, Hannes Hönegger und Thomas Zanon verfolgt werden, zeigen uns, dass eine andere Form der Landwirtschaft möglich ist, wenn wir bereit sind, etwas umzudenken.